Anobella auf Usedom II
Das hat seine eigene Komik, in Usedom auf der Suche nach einem Buch von Thomas Bernhard zu sein (weil er selbst so eine sinnlose Suche - seitenweise - nach einer Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung beschrieben hat, die er an DIESEM Tag zum Leben brauchte (now don´t I know that) (miserable Drecksorte, die sie nicht hatten). Und als ob ich ihn nicht zu Hause im Regal stehen hätte! Grrrrrrrr! Landauf, landab in Buchhandlungen herumzusuchen, das Verlangen danach immer stärker zu empfinden, sich gar nicht mehr mit einem anderen Buch trösten zu können und sei es auch noch so gut (Der Fall Riviére von Michel Foucault) deshalb schließlich eine Fahrt nach Greifswald, Schwerin, Rostock oder Berlin (da werden sie ihn doch wohl haben!) ins Auge zu fassen; dann, dank der Süddeutschen Zeitung und ihrer Bibliothek (übrigens beste Bücher in schönem Design) des „Untergeher“s habhaft werden und lachend in der Wohnung zu sitzen mit Bernhards Hassgeschichten. Im Untergeher gern über die Schweiz - die ich gut kenne und in der ich viele Freunde habe, namentlich in Davos und Zug und Zürich und Basel.
Er schreibt über Chur (da war ich auch mal, es war grau und feucht, im Herbst):
„Chur kannte ich von mehrmaligen Aufenthalten mit den Eltern, wenn wir nämlich nach Sankt Moritz zu reisen vorhatten und in Chur übernachteten, in dem immer gleichen Hotel, in welchem es nach Pfefferminztee gestunken hat und wo man meinen Vater kannte und ihm zwanzig Prozent Rabatt gewährte, weil er dem Hotel über vierzig Jahre lang treu geblieben war. Es war ein sogenanntes gutes Hotel in der Mitte der Stadt, ich weiß nicht mehr, wie es geheißen hat, kann aber sein Zur Sonne, wenn ich mich nicht doch täusche, obwohl es an der finstersten Stelle der Stadt lag. In den Churer Weinstuben schenkten sie den schlechtesten Wein aus und trugen die geschmacklosesten Würste auf. Mein Vater nachtmahlte mit uns immer im Hotel, betellte eine sogenannte Kleinigkeit und nannte Chur eine angenehme Zwischenstation, was ich nie verstand, denn ich hatte Chur immer als besonders unangenehm empfunden. Genau wie die Salzburger waren mir die Churer noch verhasster in ihrem Hochgebirgsstumpfsinn. Ich hatte es immer als Bestrafung empfunden, mit den Eltern, manchmal auch nur dem Vater allein, nach Sankt Moritz fahren zu müssen, in Chur Station zu machen, in diesem trostlosen Hotel absteigen zu müssen, dessen Fenster auf eine enge, bis zum zweiten Stock herauf feuchte Gasse hinausgingen. In Chur hatte ich niemals geschlafen, dachte ich, war ich immer nur voller Verzweiflung wach gelegen. Chur ist tatsächlich der trübsinnigste Ort, den ich jemals gesehen habe, nicht einmal Salzburg ist so trübsinnig und letzten Endes krankmachend. Und die Churer sind dementsprechend. In Chur kann ein Mensch, auch wenn er nur eine einzige Nacht bleibt, für sein Leben ruiniert werden.“
(Den letzten Satz werden sie WOHL NICHT im Fremdenverkehrsamt Chur auf die Rückseite ihrer Tourismusbroschüre geschrieben haben)
Er schreibt über Chur (da war ich auch mal, es war grau und feucht, im Herbst):
„Chur kannte ich von mehrmaligen Aufenthalten mit den Eltern, wenn wir nämlich nach Sankt Moritz zu reisen vorhatten und in Chur übernachteten, in dem immer gleichen Hotel, in welchem es nach Pfefferminztee gestunken hat und wo man meinen Vater kannte und ihm zwanzig Prozent Rabatt gewährte, weil er dem Hotel über vierzig Jahre lang treu geblieben war. Es war ein sogenanntes gutes Hotel in der Mitte der Stadt, ich weiß nicht mehr, wie es geheißen hat, kann aber sein Zur Sonne, wenn ich mich nicht doch täusche, obwohl es an der finstersten Stelle der Stadt lag. In den Churer Weinstuben schenkten sie den schlechtesten Wein aus und trugen die geschmacklosesten Würste auf. Mein Vater nachtmahlte mit uns immer im Hotel, betellte eine sogenannte Kleinigkeit und nannte Chur eine angenehme Zwischenstation, was ich nie verstand, denn ich hatte Chur immer als besonders unangenehm empfunden. Genau wie die Salzburger waren mir die Churer noch verhasster in ihrem Hochgebirgsstumpfsinn. Ich hatte es immer als Bestrafung empfunden, mit den Eltern, manchmal auch nur dem Vater allein, nach Sankt Moritz fahren zu müssen, in Chur Station zu machen, in diesem trostlosen Hotel absteigen zu müssen, dessen Fenster auf eine enge, bis zum zweiten Stock herauf feuchte Gasse hinausgingen. In Chur hatte ich niemals geschlafen, dachte ich, war ich immer nur voller Verzweiflung wach gelegen. Chur ist tatsächlich der trübsinnigste Ort, den ich jemals gesehen habe, nicht einmal Salzburg ist so trübsinnig und letzten Endes krankmachend. Und die Churer sind dementsprechend. In Chur kann ein Mensch, auch wenn er nur eine einzige Nacht bleibt, für sein Leben ruiniert werden.“
(Den letzten Satz werden sie WOHL NICHT im Fremdenverkehrsamt Chur auf die Rückseite ihrer Tourismusbroschüre geschrieben haben)
Anobella - 11. Jan, 12:20
Thomas Bernhard
Herzliche Grüße von den Nicht-Berlinern