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Donnerstag, 29. Dezember 2005

Netzalp 10

Walter und Miriam waren mitten in eine Debatte über eine amerikanische Künstlerin reingeraten, es ging um Louise Bourgeois, eine Bildhauerin und Zeichnerin, die in den Staaten schon lange bekannt war (da lebte sie auch), aber in Europa nicht. Jetzt kam sie über eine Galerie aus der Schweiz herüber, ein Museum war auf sie aufmerksam geworden und Baselitz mochte sie. Das war wichtig, Künstler wurden nicht über den Markt bekannt, sondern über andere Künstler. Walter hatte Glück, erst letztens hatte er einen Bericht über Bourgeois im Fernsehen gesehen (das war auch der Ursprung der ganzen Diskussion) und konnte mithalten. Es gäbe kein Spätwerk mehr, kolportierte er die interessante Aussage des Kurators, die Leute machten heute ein Frühwerk auf und dann war Ende Gelände. Rembrandt und Tizian, ja, die hatten ein Spätwerk gehabt! Aber heute? Keine Spätwerke mehr, nur unreife Jungspunde. Aber bei Bourgeois war es anders, sie war (selbst) ein Spätwerk, schon 95 Jahre alt, in Paris geboren, jetzt New York, verarbeitete ihre Kindheit – immer noch! freudianisch! keiner konnte aus seiner Haut raus! – mit Brüsten und Schwänzen.
Miriam verdrehte die Augen und ging an das Büffet, um sich noch einen Schlag libanesischen Petersiliensalat zu holen, während Walter weiter erzählte von der Sendung im Fernsehen. Bourgeois vergaß nichts und das konnte ein Segen sein, aber auch ein Fluch, plauderte er. Ihre Mutter wurde in ihrem Werk zum Weberknecht („Die Spinne im Netz!“, rief Lotte, mit der Walter studiert hatte) und ihr Vater, na ja gut. The destruction of the father hieß eine Serie aus den Neunzigern „Mit 80 machte sie sich an die Zerstörung des Vaters?“, kalauerte Eduard, Lottes Ehemann). Der Vater hatte offensichtlich immer geredet, Louises ganze Kindheit durch, und das Mädchen rettete sich, indem es Skulpturen aus Brotkügelchen formte. So fing es an mit ihrer Kunst, in Paris 1920, großbürgerlich, man konnte es sich wie bei Proust und den Gourmantes vorstellen und Louise war ja auf ihre Art auch auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
Sagte Walter eloquent.
Und genoss es, wie Eduard und Lotte an seinen Lippen hingen. Er sah sie nur alle Schaltjahre mal, fühlte sich ihnen aber paradoxerweise dadurch in umso engerer Freundschaft verbunden. Das war eine merkwürdige Entwicklung in seinem Leben, er fühlte sich am meisten denjenigen Leuten verbunden, die er kaum sah. Die, die ständig um ihn herum waren, nervten ihn tödlich und er würde sie am liebsten ins Erdinnere schießen.
Frauen waren auch auf der Fete da und sie redeten jetzt alle abwechselnd über Bourgeois und über Fußball und die Weltmeisterschaft und den Winzer in Rheinhessen, der irgendwelche Weine aus Übersee im Discounter gekauft hatte und sie als rheinhessischen Pfalzwein typisch Guntersblum ausgegeben hatte. Walter selbst trank als echter Frankfurter ja am liebsten Apfelwein und musste sich von den anwesenden Mainzern und Wiesbadenern Barbarei vorwerfen lassen. Den Darmstädtern war es egal, sie bauten keine Ideologie drumrum wie die Anrheiner, andererseits - welche Stadt wollte schon Darmstadt heißen, das war ja nicht sehr appetitlich.
Sagte Eduard.
Walter kurvte zurück zu Bourgeois und brillierte mit grandiosen Kunstkenntnissen. Jetzt behauptete er, nur alle zehn Jahre auf eine große Künstlerin (eine Malerin, eine Bildhauerin) zu treffen, die ihm gefiel (sah man mal von der Fotografie ab, die entwickelte sich weiter, da gab es hervorragende Arbeiten, da wurde nicht alles verschlafen und bis zur Unsichtbarkeit hin abstrahiert; die Krise in der Malerei und in der Skulptur aber, mein lieber Herr Gesangsverein, die hörte nicht mehr auf, sie erzeugten nichts als Banalitäten, dass man da mal in einer Ausstellung stehenblieb und sich was näher anguckte: Im Leben nicht).
Eduard redete Walter mit Fußball dazwischen und Fifa und Mayer-Vorfelder und Zwanziger und Hoyzer und Beckenbauer und Semmelrogge, nee, das war der Schauspieler, Eduard meinte Rummenigge.
„Vergisst du in letzter Zeit auch ständig die Namen?“, fragte Eduard Walter.
„Nein, eigentlich nicht“, überlegte Walter.
Von der anderen Seite näherte sich Lotte und bot ihm eine Zigarette an. „Miriam sagt, du bist netzsüchtig!“, lachte sie.
Walters Feuerzeug schnappte vor ihrem Gesicht auf. „Ich kann jederzeit damit aufhören“, widersprach er. „Gib mir ein Haus auf dem Land und du wirst mich mit keinem Medium interagieren sehen, nicht mit dem Computer, dem Telefon, dem Fernseher.“
Lotte ließ sich seinen Ausdruck auf der Zunge zergehen. „Interagieren ...“ Frivol sah sie ihren ehemaligen Studienkollegen an.

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